Die Königstour durch die Alpen - TransalpTour 2003

München – Großglockner – Venedig
05.-06.2003 – 15.6.2003 – Jörg Prüfer u. Mario Gerth

(Autor: Mario Gerth)

Eine Tandemtour 700 km von Deutschland nach Italien, die Überquerung des Alpenhauptkammes via Glockner, Relaxing am Mittelmeer, Touristenhochbung Venedig.

Die Idee einer Alpenüberquerung per Bike ist nicht neu. Aufgegriffen habe ich sie bei einem Diavortrag der beiden Radwanderer aus Saalfeld. Besessen von dieser Idee machte ich mich sofort an die Planung, Organisation und Vorbereitung. Jörg wollte mich begleiten. Die besten Ideen kommen ja bekanntlich am Abend: Wir wollten etwas besonderes machen, also warum nicht per Tandem?!?
Ob das ganze gelingt, ob wir uns total ver(über)-schätzten, wussten wir nicht, nur das die Idee genial ist und wir alles dran setzten wollten, diese Mission erfolgreich abzuschließen...


Mittwoch, den 04.Juni 2003
Tag der Vorbereitung

Unser Tandem haben wir also im Trekkingladen Jena ausgeliehen (250 Euro) und unter unerfahrenen Fahrkünsten nach Eisenberg geschaukelt.
Heute widmen wir uns also ausschließlich unserem Baby – das komplette Bike muss ja auf unsere Bedürfnisse abgestimmt werden. Neuer Sattel, Gepäcktaschen, Lenker, Lampenanlage, 4 Trinkflaschen, duzende Kabelbinder, Satteltaschen, 2 Tachos u.s.w. – alles wird individuell an uns und die Tour angepasst.
Nachdem wir fertig sind, wiegt unser Bike gute 40 Kilo – mit uns drauf kommen wir auf knappe 200 KG.


Donnerstag, den 05.Juni 2003
Eisenberg – Halle – München


Unsere Zugtickets haben wir in Vorfeld mit Plan&Spar gebucht. Etwa 100 Euro kostet uns die Zugreise. Da es heute den ganzen Tag den Anschein macht zu regnen, fährt uns Biker (ein guter Freund) mit seinem VW Bus zum Bahnhof nach Hermsdorf.
Nun ja – da stehen wir also mit unserem Tandem, und kein Zug kommt – nichts !
Ein Anruf bei der Bahn bestätigt mir unsere Vermutung - 25 min. Verspätung wegen Unwetter – also Tandem wieder verladen und ab nach Halle auf den Bahnhof, die einzigste Möglichkeit um unseren Zug nach München zu bekommen.
Da wir mit dem Nachtzug unterwegs sind, haben wir nun sieben Stunden Zeit, neben unserem Fahrrad im Radabteil auf der Isomatte zu liegen, über die böse Deutsche Bahn zu schimpfen und unsere Tour weiter zu planen.


Freitag, den 06.Juni 2003
München – Chiemsee (99 km)


Guten Morgen München – Punkt Sieben stehen wir mit unserem Bike in München auf dem HBF – irgendwie verlassen....
Ein ehrlich gesagt flaues Gefühl begleitet mich auf den ersten Metern, raus aus der Bahnhofshalle, raus ans Tageslicht, vorbei an den vielen ungläubig schauenden Menschen drauf auf den Sattel und rein ins Abenteuer. Als erstes wollen wir einen Kaffee trinken, den braucht nämlich Jörg jeden Morgen, sonst geht gar nichts!
Ein leckeres Frühstück also am Marienplatz macht Kraft für die heutige erste Etappe. Erstaunlicher weise finden wir rasch aus der Landeshauptstadt heraus und fahren immer Richtung Glonn. Das Gelände ist Optimal – kleine Landstrassen, selten befahrene Überlandwege und Waldwege. Alles ist ja an diesem ersten Tag für uns neu – die Strecke (erstmals 100 KM, und dann noch auf dem Tandem), mit Gepäck zu fahren und das man am Abend an Punkt B schläft, und nicht zurück nach A fährt.

Auch den größten Ort für heute Rosenheim, durchfahren wir schnell und sind am frühen Nachmittag bei Sonnenschein am Chiemsee und genießen das Badewetter – eine schöne erste Etappe geht dann gegen 10 im Schlafsack zu ende.


Samstag, den 07.Juni 2003
Chiemsee – Fusch am Großglockner (131 km)


Eine wunderbare Nacht unter freiem Himmel geht zu Ende – und ich mache sofort einen Kaffee für Usse. Einen Wecker brauchen wir fast nie, weil spätestens gegen sieben uns die Sonne aus dem Schafsack holt.
Ab jetzt bewegen wir uns direkt auf die Alpen zu – mit Riesen Tritten.
Schnell verlassen wir Deutschland und sind in Kössen angekommen. Hier erwartet uns der erste kleine Pass auf unserer Reise. Weiter geht´s Richtung Süd-Ost nach Lofer und Zell am See bis in der Ferne Kitzsteinhorn und Co. auftauchen, die ersten größeren Berge auf unserer Reise.

Die Umgebung ist sagenhaft und einmalig – die Menschen freundlich und aufgeschlossen. Eine Einladung zu einem kühlen Bier nehmen wir von einem Rentnerehepaar gern an und labern ein wenig über die Tragödie am Kitzsteinhorn von 2001.
Noch gut eine Stunde weiter und wir sind am Zeller See – ich glaube eine Minute hat parken, absteigen, umziehen und badengehen gedauert, selbst bei mir ging´s recht fix. Nach einer guten Stunde und 4 Kugeln Eis sitzen wir wieder im Sattel (AAAAUUUUAAA) und fahren auf ca. 810 Hm nach Fusch a. G.
Mich erstaunt immer wieder wir oft wir durch Zufall Radwege ausfindig machen, die direkt o. indirekt unserer Richtung verlaufen, absolut ruhig und landschaftlich einmalig sind.
Unserer Quartier beziehen wir in einem Heuschober***, extrem gemütlich und frisch!
Der nächste Tag, der entscheidende Gipfeltag, lässt mich in meinen Gedanken nicht mehr los – ich freue mich mit den notwendigen Respekt auf Morgen und bete für Wetter.


Sonntag, den 08.Juni 2003
Königsetappe Großglockner 2.577 Hm – Heiligenblut (54 km)


Punkt um sieben war ich putz munter und will einfach nur noch auf den Sattel, ich will losfahren und bei makellosem Himmel oben sein. Nicht mal einen Kaffee habe ich heute morgen zusammen gekriegt...
Halb acht war es endlich soweit – es ging los und sofort begannen auch die Serpentinen und die Steigungen. Erstaunlicher weise waren viele Fahrradfahrer unterwegs – mit Rennrädern und ohne Gepäck. Da wir immer ein Mü schneller sind als die Rennradler schauen die natürlich verdutzt, wenn wir mit unserem Riesenbike vorbeischnaufen – so entstehen immer wieder nette Small-Talks oder längere Gespräche.
An der Mautstelle fahren wir rechts vorbei – und jetzt beginnt sie, die Glockner Hoch-alpenstrasse. Breite Strassen, weit einsehbar, bombastische Sicht – ein Muss für jeden Biker (ob mit oder ohne Motor).
Stunde für Stunde und Kehre für Kehre quälen wir uns bei senkender Sonne, viel zu hohen Puls und extremen Flüssigkeitsverlust den Pass hinauf. In der Regel schaffen wir zwei, maximal drei Kehren bis uns der Puls zu einer Pause zwingt. Weiter geht ´s!
Zu entscheiden, ob diese Momente nun die größten sind, weil man sich austeste und Grenzen erkennt oder verschiebt oder einfach nur eine Quälerei sind, ist schwer.
Mein Anliegen, unter einem Pulsbereich von 163 zu fahren fällt also nicht leicht – daher kostet uns diese Etappe auch gute 8000 Kcla und 8 Liter Wasser sind notwendig um den Körper von innen zu kühlen.
Nach etlichen Kehren und 1.600 Hm kommen wir am Parkplatz Edelweisspitze an (ca. 5 Stunden) an. Jetzt gehört erst einmal die komplette Speisekarte uns – und wir wiegen das für und wieder einer Auffahrt auf die Edelweisspitze ab.
OK! – wir machen es, die letzten 170 Hm bei 14% Steigung sind machbar – allerdings schnallen wir alles Gepäck vom Bike ab um diese Auffahrt zu genießen.

Gegen 14.00 Uhr stehen wir oben – wir haben es geschafft unser 200 kg - Bike die 30 Kilometer und 1.766Hm hinaufzutreten – ein grandioses Glücksgefühl durchströmt unsere Körper – Jörg laufen Freudetränen die Wangen herunter...
Immer wieder fragen uns Passanten und Bußtouristen (die mit klimatisierten Bussen zu hunderten hierauf gekarrt werden) über unsre Tour aus, lassen Fotos machen vor und hinter unserem Bike – und wir geben gerne Antwort auf die Fragen und erzählen und unserer Tor.

Die Abfahrt über die Fuscher Lache zum Hochtor ist zu unserer Überraschung noch mit einer ordentlichen Steigung versehen und führt fast wieder auf 2510 Hm. Usse kotzt kurz ab, realisiert aber gleich die Chancen die uns bleiben und ist wieder im Tritt.
Die Abfahrt selber beginnt erst so richtig am letzten Hochtortunnel.

Dafür gibt es keine Worte – es ist unverwechselbar mit 60 -70 km/h die Passstrassen hinunterzublasen. Unser Motto 15 Minuten fahren – 5 Minuten die glühend heißen Bremsen abkühlen lassen bewehrt sich.

Nach 14 Kilometern, einem V max von 90 km/h und einem Überhohlmanöver von 3 PKW´s mit Tempo 75 erreichen wir in unserem jugendlichem Leichtsinn Heiligenblut auf 1.301 Hm.

Der Tag, unsere Königsetappe, geht wieder mal in einem Heuschober der Kategorie *** zu ende. Jetzt haben wir die größten Strapazen hinter und einen gemütlichen Urlaub vor uns.


Montag, den 09.Juni 2003
Heiligenblut – Silian (106 km)


Heute lassen wir den Tag mit Ruhe angehen, fahren gegen 8 los und suchen uns ein Lokal zum Frühstücken. Beim Frühstück entschließen wir uns für Plan B – eine kleine Abänderung unserer Tour mit einem Schwenk nach Westen in die Dolomiten.
Überhaupt ist es ja das fantastische an einer Transapltour, individuell seinen zu können, den Wandel der Alpen zu erkennen und mit der Natur tagelang zu leben.

Also entscheiden wir uns für die Himmelsrichtung Westen, den Islespass ( ca. 400 Hm in 28 Minuten ), und die Abfahrt nach Lienz – eine laaange gerade steile Abfahrt wo wir unseren V max auf 95 KM/h steigern können.
Ab hier geht es immer weiter in die Dolomiten die am Horizont zu erkennen sind.
Auch hier überraschen mich immer wieder die herrlich ausgebauten Radwege, wir z. B. der als EU-Projekt geschaffene Drauradweg der uns eine ganze weile begleitet.

Unser Ziel für heute soll Sillian- kurz vor Italien- sein. Da wir immer wieder nur Radwege, Waldwege und kleine Pfade befahren können wir uns schwer orientieren und halten letztendlich in Italien um hier die Nacht zu verbringen. Unsere Unterkunft ist heute ein Heuschober der Kategorie ****, mitten in einer schönen Sommerwiese, am Horizont die Dolomiten, mit Gebirgsbach für die erste Wäsche und allem anderen was unser Herz begehrt.


Dienstag, den 10.Juni 2003
Silian – Lago di S. Core bei Belluno (135 km)


Wie jeden Tag haben wir auch heute wieder königliches Wetter zum Radfahren und nähern uns dem NP Sextener Dolomiten, um diesen zu passieren. In Toblach verlassen wir somit die Europastrasse E 66 (bzw. deren Radwege) und fahren in ein Dolomitental ein, wo wir zum ersten mal >Venecia 200 km< auf einem Schild lesen.
Spätestens hier ist uns klar, das unsere Reise sich dem Ende neigt und wir bald wieder zu Hause am Schreibtisch sitzen werden...

Im Moment jedoch machen wir erst einmal eine Badepause im Toblacher See und bewegen uns auf unseren letzten Pass, dem Pass Chimabanche zu, der ca. 1600 Hm über NN hat, zu.
Hier haben wir nochmals die Möglichkeit uns absolut auszupowern – und obwohl die Pässe Kräftezehrend sind, ist es einfach nur GEIL oben anzukommen und über seinen Körper gesiegt zu haben.

Die Abfahrt nach Cortina ist atemberaubend und unverwechselbar schön – kaum zu glauben das wir uns im Norden von Italien befinden. Ab jetzt geht unsere Reise nur noch bergab – Kilometerlang fahren wir immer weiter Richtung Meeresspiegel.
Letztendlich entscheiden wir uns für einen kleinen Stausee 15 km Südlich v. Belluno zum campen. Hier haben wir die Möglichkeit und zu waschen und Feuer zu machen – zwei einfache Dinge, die man hier erst so Richtig zu schätzen lernt.


Mittwoch, den 11.Juni 2003
Lago di S. Core bei Belluno - Jésolo (110 km)


Heute an diesem schönen Tag wollten wollen wir unbedingt das Meer erreichen. 110km liegen also vor uns, nicht sonderlich schwer, im Gegenteil, wir haben ja noch ein paar Hm gut, die es gilt abzubauen.
Gleich nach dem aufstehen packen wir unsere Sachen zusammen und radeln los – immer weiter Richtung Süden. Heute ist die Sonne unerbitterlich – 43 Grad im Schatten, der heißeste Tag in Italien seit 30 Jahren – so steht es einen Tag später in der Zeitung.
Unser Weg führ weiter über Vittorio, wo wir die Strasse verlassen, da sie hier in eine Autobahn übergeht – und halten uns etwas östlicher auf und fahren über Fontanellé, Oderzo, S. Dona di Piave nach Jesolo.
Hier versuchen wir krampfhaft an das Meer zu kommen – doch hunderte von Privanten Hotel ´s und mind. 1 Mio. Sonnenschirme machen das baden zu keinem Vergnügen.
Stundenlang versuchen wir einen geeigneten Schlafplatz ausfindig zu machen, km-weit schieben wir das Rad durch den heißen Sand – vergeblich. Gegen 21.00 Uhr quartieren wir uns dann auf einem nahegelegenem Zeltplatz ein – selbst das ist ein riesen Problem, weil wir ja kein Zelt haben, nur den Schlafsack. Wir sind zurück in der zivilen Ordnung, zwischen Gesetzten und Verordnungen.

Gute Nacht.


Donnerstag, den 12. Juni 2003 bis Samstag, den 13. Juni 2003
Jésolo (110 km) - Venig

Die kommenden 3 Tage verbringen wir mit Entspannung, Erholung und Relaxing. Natürlich kauften wir uns auch ein Tagesticket nach Venedig und schauten uns die Stadt der Liebe an – sicherlich hat Venedig seinen Reiz und seine Daseinsberechtigung – wer aber einmal in Venice war, wird nichts verpassen, wenn es kein 2. Mal gibt.
Ansonsten Relaxen wir am zeltplatzeigenen Strand, verbrennen uns den Buckel und lassen und von einer Mink massieren.
So oder so ähnlich verbringen wir unsere `Reservetage´ die wir ja auf Tour nicht gebraucht haben und fahren Samstag Abend nach einer fettigen italienischen Pizza die letzten 60 km auf den Marco Polo Airport.


Sonntag, den 15.Juni 2003
Marco Polo Airport – Köln - Eisenberg


Heute also beenden wir unsere Tour und nach einer unbequemen Nacht im Airport ist uns der bequeme Sessel in der Flugmaschine schon recht.
Unser Bike nehmen wir komplett auseinander – Lenker gerade, Pedalen ab, alle Gepäcktaschen ab, Luft ab...erst jetzt kann unser mittlerweile so liebgewonnener Begleiter im Bauch der Boing verstaut werden.
Nach etwa 2 Stunden der ganze Spaß andersrum – Lenker, Taschen, Pedalen wieder dran und auf´ s Bike. Nun haben wir vom Flughafen (Köln-Bonn) aus etwa 20 km zum Bahnhof zu fahren, teilweise am schönen Rheinufer entlang (wo zu meinem Erstaunen dutzende Campiungplätze sind, Kinder baden und Fischer angeln) bis wir in Köln ankommen und glückserfüllt ein Köllsch trinken (könnte auch Radler gewesen sein, passt eh besser).
Gegen 18.00 Uhr laden wir unser Bike auf den Zug und erreichen Jena Göschwitz gegen halb eins Uhr morgen.

Nun sind es aber immer noch 30 km bis Eisenberg – und die legen wir wieder mal in einem unglaublichen Tempo zurück – fanatisch oder schon apathisch stürzen wir den Bürgler Berg hoch und waren nach einer Stunde in Eisenberg-einfach Klasse (...oder einfach nur zum Kotzten)
Jörg und ich waren am Ende und haben uns bei Aral erst mal eine Limo geleistet.
Es ist der letzte Abend einer erfolgreichen, unvergesslichen Tour – so was macht man glaube ich ein mal im Leben und erinnert sich ewig daran.

 

Tandem
Glockner Hochalpenstrasse
Erschöpft
Dolomiten
Hochalpenstrasse
Dolomiten
on the TOP
Frühstück in Italien
ZIEL !
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